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«Auf dem langen Weg zur Baukultur»

Lorenz Held, Kantonsbaumeister des Kantons Bern © Lorenz Held - Fotograf: Christian Pfander

28 mars 2023
Stiftung Baukultur Schweiz | D'un point vue personnel

«Auf dem langen Weg zur Baukultur»

Der Berner Kantonsbaumeister Lorenz Held erläutert im Gespräch, wieso der Kanton Bern die Stiftung Baukultur Schweiz unterstützt.

Herr Held, Sie sind Kantonsbaumeister des Kantons Bern, damit Vorsteher des AGG (Amt für Grundstücke und Gebäude) und bewirtschaften das kantonale Grundeigentum – als Bauherrschaft haben Sie auch aktuelle Bauprojekte in Bearbeitung. Wo liegt der Fokus Ihrer Arbeit?

Unsere Aufgabe geht über das Bauen hinaus, da wir gleichzeitig auch Eigentümer der Bauten bleiben. Wir haben etwa 1800 eigene Objekte und besitzen vier Prozent der Landfläche des Kantons Bern, davon viel Wald und Landwirtschaftsland. Dieser Bestand ist ein wesentlicher Teil unserer Baukultur, daneben gibt es über 350 aktuell laufende Vorhaben, darunter sind fünf Grossprojekte: Das Polizeizentrum in Niederwangen, die Fachhochschulcampus Biel und Bern Weyermannshaus, das neue Strassenverkehrsamt in Münchenbuchsee sowie ein neues Forschungsgebäude der Uni Bern auf dem Gelände des Inselspitals.

Weil wir festgestellt haben, dass in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig investiert worden ist und im Bildungsbereich ein grosser Nachholbedarf besteht, wurde dem Grossen Rat vor einem guten Jahr ein Programm von rund 3,5 Mia. Investitionsvolumen für die nächsten 10 Jahre vorgelegt. Das entspricht einer Verdoppelung des bisherigen Investitionsvolumens. Damit verbunden ist der Ausbau unseres Amts. Wir benötigen mehr Mitarbeitende in unserer Rolle als Ersteller, aber auch für die Bewirtschaftung des wachsenden Portfolios. Dieses besteht insbesondere aus Bauten des 19. und 20. Jahrhunderts, gewisse Objekte datieren aber auch zurück bis auf das 11. Jahrhundert. Das Berner Rathaus ist dabei unsere prominenteste historische Immobilie.

Ich wandere gerne durch die Landschaft. Seit ich vor zwei Jahren das Amt angetreten habe, achte ich darauf, ob uns ein Gebäude oder Grundstück gehört. Dank unserer App auf dem Geoportal (Geoportal Kanton Bern Immobilienportfolio des Amts für Gebäude und Grundstücke), auf welchem wir seit einem Jahr als erster Kanton, sowohl unser Eigentum als auch die laufenden Projekte transparent machen, ist das für jede Person sehr einfach einsehbar. So bin ich letzthin bei Biel auf die Reste der römischen Tempelanlage von Petinesca gestossen, neben Solothurn und Bern die dritte römische Gründung in der Region. Und Sie erraten es: Grundstück und Überreste gehören dem Kanton Bern und werden durch diesen erhalten – auch das ist Baukultur.

Zurück zum Fokus unserer Arbeit: Im AGG gibt es ein grosses Aufholpotenzial im Bereich des Portfoliomanagements und es gilt, das Amt weiterzuentwickeln. Eine interdisziplinäre Arbeit, bei der es darum geht, unserem Auftrag nachzukommen: Den Nutzenden geeignete, nachhaltige Immobilien zur Verfügung zu stellen.

Man kann sagen, die hohe Baukultur sei seit der Davos Declaration «common ground». Welche Auswirkungen hat das auf das AGG, auf Ihren täglichen Job?

Für die Fachleute stimmt das mit dem «common ground» bestimmt! Wir bauen aber nicht für Fachleute, sondern für unsere Nutzenden und die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons.

Eine oft gehörte Frage aus der Politik lautet: Weshalb soll man Wettbewerbe veranstalten? Das ist doch teuer! Wir erklären dann, dass es umgekehrt ist: Mit einem Wettbewerb erhalten wir auf effiziente Art und Weise eine Vielzahl von unterschiedlich gearteten Lösungsvorschlägen. Nach deren Beurteilung durch eine Jury erhalten wir die beste Lösung – und sind somit auf gutem Weg zu einer hohen Baukultur. Das ist keine Abkehr von wirtschaftlichem oder nachhaltigem Bauen, sondern eine Beurteilung nach den entscheidenden Kriterien. Es geht stets darum, das Richtige am richtigen Ort zu bauen. Jeder städtebauliche Mehrwert, den wir generieren, ist ein Mehrwert für die Bevölkerung, die die Bauvorhaben des Kantons schlussendlich bezahlt. Daher setzen wir auf den Architekturwettbewerb.

Was ist hohe Baukultur überhaupt und weshalb müssen wir uns dafür einsetzen?

Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten: Wird Baukultur durch Fachleute bestimmt? Oder ist es die Zeit, die sie bestimmt? Auf jeden Fall besteht ein grosses Kommunikationspotenzial, und da sehe ich eine wichtige Aufgabe der Stiftung. Ich habe zuerst Kunstgeschichte studiert und mich auf Bauforschung spezialisiert, nach vier Semestern wechselte ich dann zur Architektur. Es ist naheliegend, dass ich durch meine Biografie bei Baukultur zuerst an historische Bauten denke, die durch verschiedene Lebensphasen gegangen sind und durch Umnutzungen Bestand haben.

Früher stand die repräsentative Wirkung der Gebäude im Vordergrund, heute soll ein Gebäude – auf jeden Fall für mich – etwas ausstrahlen, es soll «sprechen», zeigen, was es ist. So stellen die ökologische Nachhaltigkeit, die Wiederverwendung, die Sorge um den Bestand oder die Nutzungsflexibilität für mich auch einen grossen Teil der Baukultur dar.

Im Kanton Bern gehört die Bauteil- und Systemtrennung seit 30 Jahren dazu, damit können wir Gebäude länger nutzen und ihnen mehrere Leben schenken, ganz nach dem Vorbild der alten Bausubstanz. Das Bauen im Bestand, die Wiederverwendung von Gebäuden – oder zumindest ihrer Tragstruktur – ist mir ein grosses Anliegen. Daher pflege ich ein Zitat meines Vorgängers Urs Hettich etwas abgeändert zu nutzen: «Bauen ist gut. Nicht bauen ist besser».

Wir setzen ideell auf dieselben Werte wie die Stiftung. Dabei hilft uns der historische Immobilienbestand im Kanton Bern – überlebt haben nämlich primär die «guten», die gut gebauten. Wir sind auch Teil der Stiftung Baukultur Schweiz, weil wir einen Beitrag inhaltlicher Art leisten wollen. Und ich sehe es als Zeichen gegenüber meiner eigenen Mitarbeitenden und der Politik: Es ist richtig und wichtig, gute Bauten zu erstellen, auch wenn die dafür notwendige Sorgfalt etwas mehr Zeit kostet.

Interviewerin: Jenny Keller, Stiftung Baukultur Schweiz

Stiftung Baukultur Schweiz

Die Stiftung Baukultur Schweiz ist eine nationale, neutrale und politisch unabhängige Stiftung. Im Frühjahr 2020 gegründet, bringt sie Akteure zusammen, schafft Plattformen, initiiert Prozesse und macht sich stark für jene, welche die Grundlagen der Baukultur inhaltlich ausarbeiten oder diese in der Praxis umsetzen.

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