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Das Comeback der gestapelten Stadt

Das Gesamtprojekt der gestapelten Stadt «Wandorfcity 3», für das fünf Architekturteams verantwortlich zeichnen, soll 2029 fertiggestellt sein © wankdorfcity3.ch

6 juin 2024
Stiftung Baukultur Schweiz | D'un point vue personnel

Das Comeback der gestapelten Stadt

In Bern Wankdorf soll auf einer Grundfläche von rund 34'000 m2 eine gestapelte Stadt mit einer Geschossfläche von über 100'000 m2 entstehen. Das Grossprojekt «Wankdorfcity 3» bietet eine vielversprechende Basis für eine lebendige Stadtlandschaft, in der Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einer dichten Umgebung zusammenkommen. Gabriela Theus, Geschäftsführerin der Bauherrin IMMOFONDS, gibt im Interview Einblick in den kollaborativen Planungsprozess.

Bis in die 1980er-Jahre waren in der Schweiz Grossprojekte für gestapelte Städte keine Seltenheit. Sie sollten die Wohnungsnot lösen, sind dann aber in Verruf geraten. Wie kam es, dass mit «Wankdorfcity 3» in Bern in wenigen Jahren eine gestapelte Stadt stehen soll?

Ich glaube, die gestapelte Stadt ist bei uns auch aus einer Notwendigkeit heraus entstanden. Als wir untersuchten, wie wir an diesem Standort Wohnqualitäten schaffen können, fragten wir uns, ob wir Nachbarschaften auch in der Höhe schaffen können. Dabei wollten wir nicht nur Nutzungen stapeln. Wir wollten Begegnungs- und Aufenthaltsräume mit hoher Qualität ermöglichen. Nun sind die insgesamt vier Hochhäuser miteinander auf einer Ebene von 30 Metern durch eine Stadtterrasse verbunden. Es hat sehr handfeste, u. a. baurechtliche Gründe, dass die Verbindungsebene auf dieser Höhe liegt. Im Grundsatz geht es aber darum, wie in einem dichten Umfeld die Begegnung zwischen den Menschen auf Augenhöhe stattfinden kann.

Das Comeback der gestapelten Stadt

Die Stadtterrasse auf 30 Meter Höhe verbindet die Gebäude miteinander und soll vielseitig bepflanzt werden © wankdorfcity3.ch

Woher kommen hier die Vorbilder für die gestapelte Stadt, architektonisch und auf Planungsebene?

Interessanterweise ist es ein Bebauungsmuster, das gerade für Bern natürlich ist. Denken Sie an die Altstadt im Verhältnis zum Mattenquartier: Die Münsterplattform verbindet mit ihrem Lift 30 Meter Höhenunterschied. Die Stapelung als städtisches Konzept ist also nicht fremd.

Das ist eine interessante Gemeinsamkeit. Auch was die Baudichte angeht, entspricht das «Wankdorfcity 3» in etwa der Berner Altstadt. Die langjährige Planung zeigt auch: Baukultur braucht Zeit. Seit wann sind Sie persönlich im Prozess mit dabei?

Ich habe die Entwicklung von «Wankdorfcity 3» 2017 initiiert. Die Ausgangslage war baurechtlich sehr gut. Denn es bestand eine geltende, stufengerechte Überbauungsordnung, die wichtige städtebauliche Themen wie die Abstände von den umliegenden Strassenräumen und die Höhenverhältnisse, vorgängig gelöst hatte. Insgesamt war relativ wenig geregelt auf dem Areal, was uns auch eine grosse Freiheit gab. Es war eine Chance, etwas zu tun, das nicht so alltäglich ist. Gleichzeitig waren wir im ersten Moment auch ratlos. Denn wir mussten neu denken und konnten nicht auf gewohnte Lösungen zurückgreifen.

Das Comeback der gestapelten Stadt

Die gestapelte Stadt macht auch neue Ansätze möglich. So sind zum Beispiel auf ihrem Dach neun «Tiny-Houses» geplant © wankdorfcity3.ch

Eine Chance und gleichzeitig eine Herausforderung. Was waren die schwierigsten Momente? Oder stehen diese mit der Baubewilligung noch bevor?

Ich glaube, das Schwierigste ist es, alle Ansprüche zu vereinen. Es wird wohl nie ganz gelingen. Wir haben schliesslich auch Anleger im Hintergrund, die das Projekt finanzieren. Ein wichtiges Thema war denn auch: Wie kann ich ein wirtschaftliches Projekt machen? Gleichzeitig gab es eine enorme Fülle an Anforderungen, darunter 2’000 Veloabstellplätze oder die Nachhaltigkeitsgrundsätze, die wir umsetzen möchten. Wir bauen zudem sehr energieeffizient und ressourcenschonend, was in der Regel etwas mehr kostet. Schliesslich wollen wir eine Stadt für alle bauen, was auch heisst, dass es Mietzinse für Menschen mit unterschiedlichem Einkommen geben muss. Das sind alles Themen, die immer wieder zu Interessenskonflikten führten. In der Diskussion haben wir die Prioritäten situativ immer wieder aushandeln müssen.

Ökologische Nachhaltigkeit verspricht das Projekt, indem es 2’000-Watt-kompatibel ist und auf Energie aus erneuerbaren Ressourcen setzt. Nachhaltigkeit kann auch ökonomisch verstanden werden: Langfristig denkende Anleger:innen können deshalb auch hohe Bauqualität und mit ihr eine dauerhafte Architektur befürworten. Hat sich ein solches Denken in der Immobilienbranche etabliert?

Es kommt immer darauf an, mit wem man spricht. Ein institutioneller Anleger wie IMMOFONDS, der auf einem Businessmodell mit regelmässigen Mieteinnahmen aufbaut, damit er eine regelmässige Ausschüttung hat, wird immer langfristig denken, weil er ein langfristiges Wirtschaftsgut hat. Eine Immobilie hat lehrbuchmässig 80 bis 100 Jahre Lebenszyklus. Es ist notwendig, langfristig zu denken, wenn ein langfristiger Ertrag generiert werden soll. Die Rendite ist dann nicht so gross, wie sie in anderen Businessmodellen sein kann, dafür ist sie stetig.

Das Comeback der gestapelten Stadt

Die bestehende Shedhalle, welche die industrielle Vergangenheit des Areals verkörpert, wird erhalten und soll so auch in Zukunft einen wichtigen Identifikationspunkt für den Ort bilden © wankdorfcity3.ch

Wichtig für eine hohe Baukultur ist auch, dass Menschen ihr Zuhause als identitätsstiftend erleben. Das leisten historische Bauten oft lehrbuchmässig. Eine Stadt wird wesentlich wegen ihrer lebendigen Aussenräume und ausdrucksstarken Fassaden im Alltag geschätzt. Wie löst dies das Projekt «Wankdorfcity 3»?

Auf das haben wir sehr viel Wert gelegt. Identität hat auch immer viel mit Geschichte zu tun; damit, dass man Zeitschichten erleben kann. Und dadurch, dass wir den Bestand teilweise erhalten und gewisse Bauteile mit einer Geschichte weiterverwenden, tragen wir zur Identität bei. Wir erhalten auch die zentral liegende Shedhalle, obwohl sie auch im Weg steht und uns dadurch Platz wegnimmt. Aber das erzeugt auch Spannung. Und genau das macht schliesslich auch einzigartig.

Vielen Dank für das Gespräch. Dann bleibt zu hoffen, dass hier tatsächlich bald auch ein einzigartiges Wohnquartier stehen wird.


Interviewerin: Caroline Tanner, Stiftung Baukultur Schweiz

Gabriela Theus

Gabriela Theus ist seit rund 7 Jahren Geschäftsführerin der Immofonds Asset Management AG. Das Unternehmen ist von der FINMA als Fondsleitung bewilligt und reguliert. Seit 1955 investiert sie in schweizerische Immobilienwerte. Baukultur spielt in ihrem Betätigungsfeld eine wichtige Rolle. Per Juni 2023 wurde Gabriela Theus zur Stiftungsrätin in die Stiftung Baukultur Schweiz gewählt. Das Unternehmen freut sich, sich damit als institutioneller Investor für die Branche zu engagieren.

Gabriela Theus

Stiftung Baukultur Schweiz

Die Stiftung Baukultur Schweiz ist eine nationale, neutrale und politisch unabhängige Stiftung. Im Frühjahr 2020 gegründet, bringt sie Akteure zusammen, schafft Plattformen, initiiert Prozesse und macht sich stark für jene, welche die Grundlagen der Baukultur inhaltlich ausarbeiten oder diese in der Praxis umsetzen.

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